Wem kommen nicht Erinnerungen an die Kindheit hoch, wenn man Drachen am Himmeln kreisen sieht? Als Kind habe ich es geliebt selbst Drachensteigen zu lassen. Als Erwachsener und Vater von 2 Töchtern habe ich angefangen selbst Drachen zu basteln und zu nähen. Sobald der Herbst dann da war, wurden alle Drachen aus dem Keller geholt und es ging raus aufs Feld.

Heutzutage sieht man Drachen zu jeder Jahreszeit. Durch die Weiterentwicklung von Material sind gänzlich neue Sportarten entstanden, wie beispielsweise das Lenkdrachenfliegen mit 2-4 Leinen. Das absolute Highlight ist das Kitesurfen oder das Kite-Skifahren. Bei dieser Sportart befindet sich der Mensch überwiegend auf dem Wasser bzw. der Schnee-Eisschicht und man wird vom Drachen gezogen. Ein Eldorado der Kitesurfer ist Silvaplana im Engadin. Auf dem Silvaplana See wehen spätestens ab 13:00 Uhr thermische Winde, der sogenannte „Malojawind“ mit einer Windstärke von bis zu 5 Beaufort.

Jedes Mal, wenn ich über den Julierpass fahre und dann durch Silvaplana komme bewundere ich die viele Kitesurfer mit ihren imposanten bunten Drachen auf dem See. Neugierig schaute ich Jahrzehnte lang vom Ufer des Sees aus den vielen Kitesurfern zu, bis ich mich dann mit 62 Jahren einer Schulung bei „Swiss Kitesurf“ anschloss. Ich fühlte mich mit dem Instruktor und in der Gruppe mit den anderen Teilnehmern sehr gut aufgehoben und meisterte gleich am ersten Tag die schriftliche Prüfung über die Grundlagen beim Kitesurfen. Selbst bei Windflauten wurden uns spezielle „Lückensportarten“ angeboten, wie Stehpaddeln, Schwimmen oder Felsenspringen. Auch gab es immer interessante Gespräche, Kaffee und Gegrilltes. Der Unterricht wurde nach dem offiziellen Lehrbuch vom VDWS (Verband Deutscher Wassersport Schulen e.V.) gehalten.

Neben dem Erklären von Fachbegriffen, dem Material und der Ausrüstung, wurden Übungen in Kleingruppen von je 2 Schülern durchgeführt. Bei diesen Einheiten haben wir am Anfang hauptsächlich Lenkübungen auf der Wiese gemacht. Wichtiger Bestandteil war dabei das Sicherheitssystem und dessen Anwendung. Das Level 1 endete mit Übungen zur Kitekontrolle im Sitzen, Knien auf der Wiese. Level 2 hatte dann zwei Höhepunkte:  Der erste war ein Bodydrag (dem Ziehen vom Drachen ohne Board) zusammen mit dem Kitelehrer im kalten See und der zweite Höhepunkt dann endlich das Üben vom Bodydrag alleine. Es kam, wie es kommen musste: Ich stemmte mich im Wasser gegen den Drachen und wurde dadurch herumgeschleudert, nach vorne, nach hinten und musste dabei deutlich mit meiner Kondition kämpfen. Schließlich wurde mein Drachen von einem Mitteilnehmer gekentert und ich lag im Wasser. Ich löste dann den Quickrelease aus, danach den Safetylash. Dadurch wurde ich vom Kite getrennt und konnte an Land schwimmen. Die Schwimmweste war sehr hilfreich, da der Neoprenanzug, das Trapez und der Helm die Bewegungsfreiheit beim Schwimmen minimieren. Am Ufer bekam ich sofort eine helfende Hand entgegengestreckt, so dass ich gut aus dem Wasser kam und zunächst auf der Sitzbank meinen Atem und meinen Puls stabilisieren konnte. Der Lehrer hatte nur Lob für mein Verhalten übrig und wir besprachen meine Fehler. Danach konnte ich direkt nochmals den Bodydrag alleine im Wasser üben. Es gelang mir dem Zug vom Drachen nachzugeben, meinen Körper lang zu strecken und so wurde ich durch das Wasser gezogen. Es war ein befreiendes Gefühl und machte viel Spaß. Im nächsten Jahr geht es dann weiter und das Brett kommt als nächster Bestandteil im Level 3 dazu.

Die Geübten fahren mit Spitzengeschwindigkeiten über 60 Km/h und Springen über 10 Meter hoch und 50 Meter weit. Im Sprung vollführen sie „Moves“ und „Tricks“ wie ein Zirkuskünstler am Seil. Der Silvaplana See ist großartig zum Kiten, vor allem tragen die Kiter selbst zum guten Ruf bei: Es gibt eine große Hilfsbereitschaft und Freundschaft auf dem See. Ich komme definitiv wieder.